Hybridformen in der Luftfahrt – ein aussichtsloses Unterfangen?
Im Mittelpunkt des strategischen Managements steht das Ziel eines Unternehmens, einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen und aufrechtzuerhalten. Auf Unternehmensebene wurden die beiden wichtigsten strategischen Ausrichtungen von Unternehmen bereits in den 1980er Jahren von Michael Porter als Kostenführerschaft oder Differenzierung definiert. Die Wettbewerbsanalyse ist jedoch aufgrund von branchenspezifischen Besonderheiten und Konvergenz- bzw. Konzentrationsprozessen immer komplexer geworden. In der heutigen Welt der Luftfahrt sehen wir, wie Fluggesellschaften neue strategische Positionen einnehmen, einschließlich zusätzlicher Produktionsplattformen innerhalb ihres Unternehmens. Eine Konvergenz oder so genannte „Hybridisierung“ von Geschäftsmodellen wird sichtbar, d. h. die Gründung einer Low-Cost-Tochtergesellschaft innerhalb des Unternehmens einer differenzierten Fluggesellschaft oder Merkmale von Netzbetreibern, die in das Geschäftsmodell einer Low-Cost-Airline integriert werden. Traditionell haben die alten Fluggesellschaften ein globales Streckennetz bedient und sich dabei auf Premium-Kunden konzentriert. Die folgende Grafik zeigt jedoch die Fluggesellschaften der Singapore Airlines Gruppe (Stand Juli 2017) in einer Matrix, die nach Premium- und Low-Cost-Segment sowie Kurz- und Langstrecken definiert ist.
In diesem Beitrag werden die spezifischen Herausforderungen für Fluggesellschaften aufgezeigt, die zu bewältigen sind, wenn sie „hybrid“ werden, d. h. ihre strategische Position verlassen und versuchen, Merkmale des anderen Geschäftsmodells zu integrieren. Es bleibt zu klären, warum die derzeitigen Strategien der Fluggesellschaften zur Hybridisierung neigen und wie (oder ob überhaupt) die Fluggesellschaften ihre Strategie hybridisieren können, ohne „in der Mitte stecken zu bleiben“, d. h. ihren Wettbewerbsvorteil zu verlieren.
Wir haben den anhaltenden Verdrängungswettbewerb innerhalb der Branche aufgrund der Liberalisierung des Luftverkehrsmarktes und die sinkenden Renditen, 5,7 % Nettomarge aller Fluggesellschaften weltweit, als Haupttreiber des strategischen Wandels identifiziert (Statista 2018). Daher stehen die Fluggesellschaften unter dem Druck, ihre Gesamtkosten zu senken, um gegenüber ihren Billigkonkurrenten wettbewerbsfähig zu bleiben, und diese wiederum sind gezwungen, einen differenzierteren Service anzubieten. Laut Airbus (2018) konnten die Full-Service-Carrier ihre Gesamtkosten pro Einheit von 1980 bis 2010 nur um 2,6 % senken, doch die laufenden Kostensenkungen werden demnächst in Angriff genommen.
Im Folgenden werden die Herausforderungen, die mit einer Hybridisierung des Geschäftsmodells verbunden sind, dargestellt und in operative, finanzielle, interne und externe Aspekte unterteilt.
Operative Herausforderungen
Um ein differenziertes Flugereignis zu schaffen, ist operative Exzellenz in der Luftfahrt auf allen Ebenen der Wertschöpfungskette erforderlich. In diesem Fall sehen wir die größten Probleme bei der Konvergenz der Geschäftsmodelle in der Flugplanung und der Personalbesetzung.
Der Aufbau eines Hub-and-Spoke-Netzes ist ein jahrelanger Prozess, der durch Geschäftspartnerschaften, interne Strategien und das Interesse Dritter (z. B. Flughäfen als Infrastrukturanbieter) gewachsen ist.
Das Geschäftsmodell der Billigfluglinien beruht strategisch auf Einfachheit. Eine Bündelung des Verkehrs wird den Betrieb stark beeinträchtigen und die Umsteigevorgänge für Passagiere und ihr Gepäck erschweren.
Langfristig haben wir Zweifel, ob zusätzliche Einnahmen durch neu gewonnene Kunden (d.h. Geschäftsreisende) diese Komplexitätsprobleme ausgleichen können. Zu den Trends bei den Netzbetreibern gehört auch eine (teilweise) Dezentralisierung ihres Netzes. Jüngste Beispiele sind LOT Polish Airlines in Budapest oder AirBaltic entlang der Hauptstädte in den baltischen Staaten. Dadurch verringern die Netzwerkfluggesellschaften bewusst die Größenvorteile, da ihre Ressourcen auf verschiedene Bündelungspunkte verteilt sind. Darüber hinaus ist eine Kannibalisierung auf bestimmten Strecken eine übliche Belastung, wenn eine Full-Service-Airline eine Low-Cost-Tochtergesellschaft gründet. Dies wird in Deutschland deutlich, wo ein großes Airline-Konglomerat sechs inländische Ziele in direkter Konkurrenz zu seiner Muttergesellschaft bedient.
Finanzielle Fragen
Die oben erwähnte Komplexität der Abläufe verursacht Kosten. Finanzielle Belastungen in verschiedenen Bereichen sind daher eine Folge der betrieblichen Komplexität. Allerdings müssen die finanziellen Herausforderungen stärker antizipiert werden, damit sich das LCC hybridisieren kann. Der Trend einiger Billigflieger, auf Langstrecken zu gehen, bringt enorme betriebliche Herausforderungen mit sich, wie z. B. die Positionierung von Flügen oder Zwischenstopps über Nacht, die mit immensen Investitionen für die Einrichtung von Drehkreuzen zusammenhängen. Full-Service-Carrier hingegen müssen den finanziellen Unterschied zwischen den verlorenen Opportunitätskosten bei der Aufgabe von Marktanteilen und dem Verzicht auf die Gründung einer Low-Cost-Tochtergesellschaft aufwiegen, die sich möglicherweise gegen konkurrierende LCCs auf dem Heimatmarkt wehrt.
Interne Aspekte
Interne Fragen betreffen das Personal, die Ausbildung und die Unternehmensidentität. Diese internen Herausforderungen ergeben sich aus den inhärenten Unterschieden zwischen den Geschäftsmodellen der Fluggesellschaften hinsichtlich ihrer betrieblichen Grundlagen. So könnte zum Beispiel das direkte Einsteigen an den Flugsteigen (das für FSNC gewünscht wird) den Kern der Servicevorstellung eines jeden Bahnhofsmanagers darstellen, aber aus der Sicht eines Kostenführers völlig falsch sein. In ähnlicher Weise müssen auch die Servicetätigkeiten der Flugbegleiter berücksichtigt werden. Dies könnte zu Verwirrung bei der Erbringung von Dienstleistungen und kohärenten Regeln für das Serviceniveau führen, wie z. B. die namentliche Begrüßung von Elitefluggästen oder ein zweiter Getränkeservice auf Mittelstreckenflügen. Auch aus interner (struktureller) Sicht können sich die Hierarchien in LCCs und FSNCs unterscheiden. Ebenso werden sich die Vergütungssysteme unterscheiden, was zu Unstimmigkeiten, Widerstand oder sogar zu rechtlichen (Lohn-)Problemen in Tarifverträgen führen kann.
Externe Herausforderungen
Vor allem Full-Service-Airlines müssen sich darüber im Klaren sein, dass eine hybride Strategie erhebliche negative Auswirkungen auf ihr Unternehmensimage haben kann. Tatsächlich scheint dies ein häufiger Fallstrick für Fluggesellschaften zu sein, wenn sie eine Low-Cost-Tochtergesellschaft gründen. Laut dem jährlichen Brand Finance Report über Fluggesellschaften (2018) sind 16 der 20 führenden Fluggesellschaften Full-Service-Carrier, gemessen am Markenwert. Eine wichtige interne Ressource ist daher die Tatsache, dass die alten Fluggesellschaften oft eine starke Marke haben und sich durch ein höheres Serviceniveau von den Billigfluggesellschaften abheben. Die derzeitigen Entwicklungen zielen jedoch darauf ab, die Kosten zu senken, indem das Dienstleistungsniveau gesenkt wird und keine Qualitätsunterschiede gemacht werden. Außerdem führt dies zu dem Dilemma, dass die alten Betreiber nicht in der Lage sind, frühere Dienstmerkmale zu gewähren, und zu dem Problem der Preisgestaltung für Sitze, wenn der zusätzliche Wert des Dienstes für die Kunden nicht sinnvoll ist. Hier ist es wichtig, das Unternehmen durch eine stringente Marketing-/PR-Strategie klar zu positionieren.
Schlussfolgerung
Wir von UNEX sehen die Notwendigkeit, dass sowohl die traditionellen als auch die Billigfluggesellschaften aufgrund des starken Wettbewerbs in der Branche neue strategische Möglichkeiten ausprobieren. Die oben genannten Kategorien verdeutlichen jedoch die größten Risiken, die es zu berücksichtigen gilt, und die größten Herausforderungen für das Management, mit denen man rechnen muss. Das größte Risiko für die Hybridisierung von LCCs liegt in den finanziellen Belastungen und komplexeren Abläufen. Bei internen Aspekten besteht im Allgemeinen ein hoher Anpassungsbedarf. Das größte Risiko für FSNCs besteht in einer möglichen Verschlechterung ihres Markenimages. Wir betrachten eine klare Trennung der Geschäftsbereiche als Kernaspekt, wenn Konglomerate durch Tochtergesellschaften hybridisieren. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Singapore Airlines Gruppe. SQ – die alte Fluggesellschaft – hat ein luxuriöses Premium-Produkt auf Langstreckenflügen etabliert, während Scoot ultrabillig ist und selbst auf einem 12-Stunden-Flug kaum einen Service bietet. Zweitens wurde die klare Differenzierung im Branding – nicht nur im Namen – als äußerst wirkungsvoll in ihrer Strategie erkannt, d.h. anstelle des Namens „Singapore Light“ wurde erfolgreich „Scoot“ gewählt. Die IAG-Gruppe hat es geschafft, im Jahr 2018 einen Gewinn von 3,2 Mrd. € zu erwirtschaften, um ein weiteres gutes Beispiel für einen Mischkonzern zu nennen. Die Gründe für diesen Erfolg sehen wir vor allem in der klar abgegrenzten Betriebsstruktur. Mit fünf von Natur aus unterschiedlichen Fluggesellschaften in ihrem Portfolio variieren die Streckendienste mit wenig Angst vor Kannibalisierung. Sie nutzen eine gute Mischung aus sozioökonomischen Faktoren, d. h. ein Netz, das u. a. für den ethnischen Verkehr eingerichtet wurde. In diesem hybriden Arrangement dominiert British Airways den Verkehr von Europa über London nach Kanada und in die Vereinigten Staaten (mehr als 30 Städte werden direkt angeflogen, verglichen mit nur fünf iberischen Zielen in diesen Ländern). Im Gegensatz dazu bedient Iberia traditionell eine große Anzahl von Zielen in lateinamerikanischen Ländern – insgesamt elf -, während British Airways nur sechs Städte in Mittel- und Südamerika (außer der Karibik) direkt anfliegt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir bei UNEX ein LCC / FSNC nur als solches betrachten, wenn die Elemente im operativen, kommerziellen und internen Bereich dem Geschäftsmodell entsprechen. Die Strategie muss mit den Unternehmenszielen übereinstimmen und einen erheblichen Zusatznutzen bringen. Das Thema Hybridisierung ist also sehr komplex und spielt natürlich in alle strategischen Aspekte hinein. Den Fluggesellschaften wird daher geraten, nicht zum Alleskönner zu werden. Darüber hinaus können ein beschädigtes Markenimage, Kannibalisierung oder ein immenser Anstieg der finanziellen Belastungen den Wettbewerbsvorteil untergraben und schließlich zum Marktaustritt führen, da die Strategie des Unternehmens irrelevant wird.