Die Zukunft der europäischen Legacy Carriers
Chancen und Herausforderungen 2017
Im Januar 2016 lag der Preis für Flugzeugtreibstoff bei knapp 40 USD/Barrel. Ausgehend von seinem Höchststand im Jahr 2011 mit etwa 140 USD/Barrel ist der Kurs seitdem um etwa 70 % gefallen. Nur aufgrund dieser begünstigenden externen Effekte des Marktes konnten einige Luftfahrtunternehmen Gewinne erzielen. Es besteht jedoch kein Zweifel daran, dass der Wettbewerb in der europäischen Luftfahrtindustrie von Jahr zu Jahr zunimmt.
Einerseits gewinnen die Low Cost Carrier (LCC) auf dem Inlandsmarkt weiter an Stärke. Andererseits scheint das Wachstum der Golfcarrier im Interkontinentalverkehr fast unaufhaltsam zu sein. Hinzu kommt, dass sowohl die LCCs als auch die Golf-Carrier ihre angebotenen Sitzplatzkapazitäten deutlich erhöht haben, was zu Überkapazitäten führte und die Renditen verschlechterte.
Um den wirtschaftlichen Anforderungen auf Dauer gerecht zu werden, stehen die meisten Fluggesellschaften unter dem Druck, ihre Kostenstruktur ständig zu optimieren. Vor allem traditionelle Fluggesellschaften mit einem hohen Anteil an Lohn- und Gemeinkosten sind aufgefordert, ihre ungünstige Situation durch Sparmaßnahmen zu verbessern.
Darüber hinaus können die Fluggesellschaften dank modernster intelligenter Datentechnologien die spezifischen Bedürfnisse ihrer Kunden analysieren und auf sie eingehen und ihren Fluggästen dynamische und personalisierte Produkte anbieten, die deren Anforderungen übererfüllen und somit zu höheren Einnahmen führen.
Einführung
Die Luftfahrtindustrie ist auf der Jagd nach Rekorden. Nach Angaben der International Air Transport Association (IATA) wurden mehr als 36,6 Mio. Linienflüge und mehr als 3,7 Mrd. Passagiere wurden für 2016 prognostiziert. In Anbetracht eines Betriebsgewinns von fast 60 Mrd. USD und einer operativen Marge von 8,3 % setzte die Luftfahrtindustrie ihr Wachstum im Jahr 2015 fort, das an sich schon eines der erfolgreichsten Jahre in der Geschichte war.
Das Marktumfeld der europäischen Legacy Carriers
Eine der wichtigsten Triebkräfte für den oben beschriebenen Wachstumspfad ist die Entwicklung von LCCs. Zum einen bauen sie ihre Kapazitäten weiter aus und zum anderen dringen sie mit aggressiven Preisen in die Märkte ein. Doch während sie sich in der Vergangenheit nur auf sekundäre Flughäfen mit günstigen Flugpreisen konzentrierten, ziehen sie sich heute von regionalen Basen zurück und zielen stattdessen auf primäre, städtische Flughäfen. Diese strategische Entscheidung markiert eindeutig einen Paradigmenwechsel im Vergleich zu ihrem traditionellen Aufbau.
Die Verdrängung der Swiss an ihrem ehemaligen Drehkreuz Genf durch Easyjet oder der Markteintritt von Ryanair – dem Marktführer im europäischen LCC-Segment – am Frankfurter Rhein-Main-Flughafen, der gleichzeitig als Lufthansa-Drehkreuz Nummer eins fungiert, sind nur zwei Beispiele aus jüngster Zeit, die den Beginn einer neuen Ära auf dem europäischen Luftverkehrsmarkt belegen.
Der Interkontinentalverkehr wird jedoch hauptsächlich von den großen Anbietern aus dem Mittleren Osten dominiert, die immer wieder neue Maßstäbe im Service setzen. Qatar zum Beispiel hat erst kürzlich auf der ITB eine neu entwickelte und einfach umwerfende Business Class eingeführt. Die Golffluggesellschaften bieten nicht nur ein hochmodernes Bordprodukt an, sondern erweitern auch ihr Streckennetz und erhöhen gleichzeitig ihre Frequenzen zu bestehenden Zielen. Um das Bild des europäischen Luftverkehrsmarktes zu vervollständigen, muss man auch erwähnen, dass es einige LCCs gibt, die beabsichtigen, ein profitables Langstreckengeschäft aufzubauen. Vergleicht man jedoch die mehr als 55.000 wöchentlichen LCC-Flüge innerhalb Europas im Sommerflugplan 2016 mit den knapp 100 wöchentlichen LCC-Flügen zu interkontinentalen Zielen, so muss man feststellen, dass LCCs derzeit nur einen sehr geringen Anteil am interkontinentalen Markt haben.
Herausforderungen und Chancen der europäischen Legacy Carriers
Das skizzierte Marktumfeld zeigt deutlich, dass das Geschäftsmodell der traditionellen europäischen Fluggesellschaften von zwei Seiten angegriffen wird – sowohl der kontinentale als auch der interkontinentale Verkehr werden durch den verstärkten Wettbewerb in Frage gestellt.
Um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben, scheint es für traditionelle Transportunternehmen mit starren Hierarchien also keine andere Möglichkeit zu geben, als die Produktionskosten konsequent zu senken. Die Herausforderung besteht jedoch darin, sich dabei ausschließlich auf die internen Prozesse zu konzentrieren und den Kundennutzen nicht zu gefährden.
In Anbetracht dieser Umstände scheinen Fusionen und Übernahmen eine vielversprechende Option zur Verbesserung der eigenen strategischen Positionierung zu sein. Sie bieten den Beteiligten nicht nur eine verbesserte Ertrags- und Kostensituation durch die Realisierung von Synergien, sondern erhöhen auch den Kundennutzen, indem sie den Fahrgästen Zugang zu einer breiteren Angebotspalette verschaffen. Vor etwa 20 Jahren gab es auf dem US-Luftverkehrsmarkt mehr als 120 Fluggesellschaften, heute sind es weniger als 50 Akteure.
Neben der anhaltenden Marktkonsolidierung in Europa ist auch eine Angleichung der Geschäftsmodelle von Legacy- und LCCs zu beobachten. Die alten Fluggesellschaften haben ihre Tarife entbündelt (früher war sogar das aufgegebene Freigepäck in den Grundtarifen enthalten) und erzielen heute zusätzliche Gewinne durch den Verkauf von Zusatzleistungen. Dennoch beginnen die LCCs, Vielfliegerprogramme aufzulegen, um wertvollere Geschäftsreisende zu binden.
Sollte sich dieser Trend fortsetzen, haben die etablierten Fluggesellschaften die Chance, ihre Marke präzise zu positionieren, um sich von den Wettbewerbern abzuheben und aus der Masse hervorzustechen. Dies wird nicht nur die Bindung bestehender Kunden fördern, sondern auch neue Kunden anziehen. Dazu ist es jedoch notwendig, die eigene Wertposition konsequent zu verbessern und zu fördern.
Doch anstatt die Geschäftsaktivitäten der Konkurrenz zu kopieren, sind Fluggesellschaften am besten beraten, die Erwartungen ihrer Kunden zu übertreffen, indem sie intelligente Datentechnologien effizient nutzen und maßgeschneiderte Angebote entlang der gesamten Customer Journey erstellen – vor, während und nach dem Flug.
Ausblick
Die Luftfahrtindustrie wird höchstwahrscheinlich weiterhin stark von externen Faktoren beeinflusst werden und daher in ihren jährlichen Gewinnen sehr unbeständig bleiben.
Abgesehen davon werden einige Marktungleichgewichte möglicherweise ungelöst bleiben. So erscheinen sowohl die Subventionierung der Golf-Carrier, die nach der Politik ihrer lokalen Regierungen wenig bis gar keine Steuern zahlen müssen, als auch die Akzeptanz fragwürdiger LCC-Beschäftigungsverhältnisse durch die EU als ungerecht und höchst fragwürdig.
Solange sich die europäischen Legacy-Carrier jedoch auf ihre Stärken konzentrieren und das ganzheitliche Nutzenversprechen für ihre Kunden – mit besonderem Augenmerk auf ihre Statuskunden – stetig verbessern, sollte man sich keine allzu großen Sorgen machen, dass British Airways, AF/KLM, Lufthansa und Co. nicht an der positiven Branchenprognose der IATA für die kommenden Jahre teilhaben werden.